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Das Erkrather Kurhaus

"Kurhaus" - der Schriftzug über dem Eingang des im klassizistischen Stil erbauten, villenartigen Hauses an der Bahnstraße 18 in Erkrath erinnert seit 2015 an eine nur sehr kurze Episode in der frühen Geschichte des Hauses. In Erinnerung daran wurde das Gebäude 1984 als erstes in die Liste der örtlichen Baudenkmäler eingetragen. Dabei war seinerzeit über die Nutzung als Kurhaus nur wenig bekannt, Bauakten oder archivalische Quellen lagen nicht vor. Das, was man zu wissen glaubte, beruhte auf "Oral History" und einem 1957 in den "Romerike Berge" unter dem Titel "Ein Erkrather Arzt als erster Heimatforscher" erschienenen Aufsatz von Friedrich Bachmann über Dr. Johann Heinrich Bongard. Bachmann berichtete darin kurz von einer schwefelhaltigen Quelle, die auf dem "Grund und Boden der uralten ritterlichen Wasserburg Haus Bawir" entdeckt worden sein soll. Nachdem die heilkräftige Quelle erschöpft gewesen sei, soll das aufgelöste Schwefelbad in eine Wasserheilanstalt umgewandelt worden sein, dessen letzter Badearzt Dr. Wachendorf den Betrieb einstellen musste. Dieser von Bachmann in die Welt gesetzten Fabel glaubte man damals und erstaunlicherweise wird sie bis heute kolportiert. Leider ist eigentlich alles an Bachmanns Erzählung falsch bzw. frei erfunden. Lediglich der Bezug zu Dr. Wilhelm Wachendorf, der nachweislich am 1.Juli 1843 eine Wasserheilanstalt in Erkrath eröffnete, entspricht der historischen Wahrheit, wenn auch mit falscher Jahresangabe. Historisch korrekte Fakten zur Wasserheilanstalt des Dr. Wachendorf wurden im November 1998 in einem Beitrag für das Jahrbuch "Journal" des Kreises Mettmann veröffentlicht. Einen Vorläufer mit einer schwefelhaltigen Heilquelle, wie Bachmann behauptete, gab es nicht!

Offene Fragen zur Bau- und Besitzgeschichte des Hauses konnten erst im Nachgang (annähernd) geklärt und  nachfolgend mitgeteilt werden. Als 1830 - 1832 die Urkatasterkarte der Gemeinde Erkrath und die zugehörigen Katasterbücher - die die Namen der Eigentümer der Parzellen enthalten - angelegt wurden, gab es auf der Parzelle des Kurhauses noch kein Haus. Die Parzellen 25 und 26 in Flur 3 der Gemeinde Erkrath mit gesamt rund 5 Morgen Fläche wurden als "Holzung" bzw. "Ackerland" bewertet, Eigentümer war Joseph von Makulsky. Flur 3 entspricht dem Erkrather Ortskern mit Bahn-, Kreuz- und Kirchstraße. Das Kurhaus Bahnstraße 18 mit angrenzendem Park liegt in Parzelle 26; weiter nördlich am Düsselufer, dort wo heute das Praxisgebäude "Alte Post" steht, grenzt die Parzelle 25 an. Der Eigentümer Ignatz Anton Joseph von Makulsky war Offizier im 16. Preußischen Infanterie-Regiment, im Rang eines Major wurde er später aus dem Dienst verabschiedet. Mit Ehefrau Helene Wilhelmine Monten und einer 1825 in Düsseldorf geborenen Tochter lebte das Ehepaar von Makulsky bis 1840 in Düsseldorf, Steinweg 212. In der Düsseldorfer Zeitung vom 7.Dezember 1840 wurde die Wohnung per Annonce zur Vermietung angeboten. Das kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass von Makulsky ein neues Haus auf seinem Erkrather Besitz erbauen lies und (möglicherweise) ab Dezember 1840 für wenige Jahre dort wohnte. 

Als Dr. Wilhelm Wachendorf am 3.Dezember 1842 bei der Königlichen Regierung in Düsseldorf brieflich um eine Konzession für eine neu zu errichtende Wasserheilanstalt nachsuchte, verwies er darauf, dass er den zukünftigen Standort "wegen noch nicht abgeschlossener Verhandlungen noch nicht bestimmen könne". Drei Monate später teilte er der Königliche Regierung in einem zweiten Schreiben mit, "der zur Anlegung einer Wasserheilanstalt gewählte Ort ist das von mir angekaufte, in der Bürgermeisterei Gerresheim, Gemeinde Erkrath, am Bahnhof daselbst gelegene Gut Neu Steinhof genannt". Der Verkäufer bleibt anonym, in Frage kommt aber nur Joseph von Makulsky. Was aber meinte Wachendorf mit "Neu Steinhof"? Erklärend kann dazu mitgeteilt werden, dass die Wirtschaftsflächen des Kratzensteinhof (heute Steinhof 3, zuletzt Familie Otto Hanten) in historischer Zeit bis zur Düssel reichten. 1808 war der Hof zwischen Jakob Pillscheuer und Peter Krieckhaus je zur Hälfte geteilt; jeder besaß rund 92 Morgen. Wegen offener Schuldforderungen wurde Pillscheuers Anteil 1809 versteigert. Den Zuschlag erhielt Wilhelm Schalbruch, seit 1804 Besitzer von Haus Bawir. Schalbruch behielt aber nur 46 Morgen, die zweite Hälfte verkaufte er an Peter Krieckhaus. Laut amtlichen Flurbuch der Bürgermeisterei Gerresheim, Gemeinde Erkrath, war Peter Krieckhaus zu Kratzensteinhof 1830 Eigentümer der Parzellen 25 und 26. Er hat offensichtlich 5 Morgen Land an Major von Makulsky verkauft. Als Dr. Wachendorf per Annonce in der Düsseldorfer Zeitung die Eröffnung seiner Wasserheilanstalt "zu Erkrath bei Düsseldorf" für den 1. Juli 1843 ankündigte, verwies er auch auf die zugehörigen "5 Morgen großen Gartenanlagen".

Nachdem Dr. Wachendorf seine neue Wasserheilanstalt in den verbleibenden Sommer- und Herbstmonaten betrieben hatte, wurde diese im Winter vorübergehend geschlossen. Abermals per Anonnce zeigte Dr. Wachendorf die Wiedereröffnung derselben am 1.Juni 1844 an: "Mit dem heutigen ist die im vorigen Jahr gegründete Wasser-Heilanstalt zu Erkrath wieder eröffnet. Die günstige Lage derselben in einer anmuthigen, an hübschen Ausflügen reichen Gegend, nahe am Erkrather Bahnhofe, in Vebindung mit bedeutend vergrößerten und zweckmäßig eingerichteten Lokalitäten, mit 5 Morgen großen, von bekannter Meisterhand ausgeführten Gartenanlagen und hinreichend vorhandenem herrlichen Quellwasser, welches mittels einer Dampfmaschine zu den verschiedenen Baderäumen geleitet und zu allen Vorrichtungen in derselben benutzt wird, lassen den Unterzeichneten hoffen, den schönen Resultaten, die die sogenannte Kaltwasser-Heilmethode, rationel angewandt, aufzuweisen hat, für die Folge noch viele hinzufügen zu können".

Wen auch nach heutigem Verständnis in blumiger Sprache formuliert, so wird doch die beabsichtigte Heilmethode erkennbar: nach Art einer Kneip-Kur sollte in den Baderäumen Kaltwasseranwendungen verabreicht werden. Wachendorfs Beschreibungen lösen aber auch Fragen aus: welche vergrößerten, zweckmäßigen Lokalitäten hat er errichten lassen ? Und welcher bekannte Gartenbaumeister hatte die Gartenanlagen ausgeführt ?

So engagiert Dr. Wachendorf seine Pläne anging und umsetzte, so abrupt folgte nur vier Jahre später das Ende. Spätestens im Dezember 1848 schloß er die Wasserheilanstalt und verzog nach (Düsseldorf-) Benrath. Über seine Beweggründe kann man nur spekulieren, am wahrscheinlichsten ist aber ein wirtschaftlicher Misserfolg zu vermuten. Für die nachfolgenden Jahre ließ sich keine Nutzung als Kur- oder Heilanstalt mehr nachweisen. Dr. Wachendorf führte in den folgenden Jahren ein unstetes Leben. 1855 läßt er sich als Arzt in Rommerskirchen nieder. 1859 folgte ein Umzug nach Wevelinghoven, 1862 zog er weiter nach Grevenbroich.

 

1855 erwarb Friedrich Wilhelm Kerlen, Kaufmann aus (Wuppertal-) Elberfeld die Erkrather Villa. Er betrieb eine Manufakturwarenhandlung,  ob diese im gleichen Haus lag, ist ungewiss. 1884 kaufte die Weberei de Weerth das Haus, Verkäufer soll Johann Karl Karthaus, gleichfalls Kaufmann aus Barmen gewesen sein. 1890/ um 1900 bewohnte Webereidirektor Emil Zschocke das Haus. Vor dem ersten Weltkrieg wohnten ledige Arbeiterinnen der Weberei in den Anbauten, die einst zwischen der Villa und der heutigen Kreissparkasse standen, 1954/55 aber abgerissen wurden. Die Erkrather Gewerbeberufsschule war zwischen 1929 und 1938 im Haus Bahnstraße 18 untergebracht, mußte dann der örtlichen NSDAP Parteizentrale weichen. In späteren Nachkriegsjahren folgte eine Nutzungs als Verwaltungsgebäude, u.a. war die örtliche Polizeidienststelle hier untergebracht. Nach dem Verkauf durch die Stadt Erkrath in Privatbesitz wurde die Villa gefühlvoll restauriert und ein Cafe darin eröffnet. Seit 2015 wird ein Gastronomiebetrieb geführt.

 

Quellen:

Landesarchiv NRW, Duisburg, Katasterbücher und Akten Regierung Düsseldorf 38934

Kreisverwaltung Mettmann, Katasteramt, Flurbuch und Urkatasterkarte 118

Universitätsbibliothek Düsseldorf, Adressbücher und Historische Zeitungen (Digitalisate)

Stadtarchiv Erkrath, Hausbücher 362 V. bis VII.